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Gastkritik - Berlin, Berlin / Autorin: Salomea Mai

Gastkritik: Berlin, Berlin

 

BERLIN

21.12.2023

Admiralspalast

 

Autorin: Salomea Mai

 

Quelle: eigene Aufnahme
Quelle: eigene Aufnahme

BERLIN BERLIN – Der Tanz auf dem Vulkan geht wieder los!

 

Am 19. Dezember 2019 feierte „BERLIN BERLIN“ eine umjubelte Weltpremiere. Jetzt ist die Revue zurück im Admiralspalast!

 

Berlin - In einer Zeit, in der die Nacht mit Paillettenkleidern zum Leuchten gebracht wird, in der kurze Röcke, locker geschnittene Kleider mit tiefer Taille und provokante Ausschnitte ihre Blicke auf sich ziehen, in der mutige Damen sich nicht mehr in das frühere Rollenbild einer Frau zwängen lassen, in der Freiheit und Lebenslust von jedem nach Belieben ausgelebt wird und in der Berlin niemals schläft! Herzlich willkommen im Berlin der Zwanziger Jahre!

Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs: Der Erste Weltkrieg ist beendet, die Demokratie zieht ein, doch Revolten, Anschläge, die durch den Krieg entstandene Armut und letztendlich die zunehmende Machtgewinnung der Nationalsozialisten lassen Deutschland keine Ruhe. Als ab 1924 zumindest vorübergehend eine kleine Atempause Deutschland erreicht, entwickelt sich das Lebensgefühl, das man heute mit den Zwanziger Jahren verbindet.

 

„BERLIN BERLIN“ lädt den Zuschauer genauso wie den von den Erinnerungen des Krieges traumatisierten Soldaten ein, Ablenkung und Amüsement im Nachtclub des Berliner Admiral zu finden. Der Admiral öffnet die Türen seines Clubs. Neben den großen Stars der Berliner Blütezeit von 1927 bis 1933 präsentiert er den Zeitgeist der Zwanziger Jahre in einer atemberaubenden Revue. Szenen der zeitgenössischen Stars werden in diesem Potpourri fantastisch miteinander in Verbindung gesetzt.

 

Die Femme fatale der Weimarer Republik: Anita Berber. Leicht bekleidet oder nackt tanzt sie mit mindestens einer Flasche Cognac und immer einer Portion Drogen zur Hand von einem Skandal zum nächsten. Sie ist im Nachtleben für ihre Tabubrüche bekannt und inspiriert mit ihren Extremen und ihrem Lebenshunger viele Künstler. Selbst ihr Tod im Jahr 1928 lässt sie nicht von der Bühne verschwinden: Eine Feier für Anita Berber gibt es nicht ohne sie.

 

Ebenfalls nach Skandalen strebend: der deutsche Hollywoodstar Marlene Dietrich. Sie wird zum Inbegriff der verruchten Frau und mit ihrer rauchigen Stimme und ihrem einzigartigen Stil zur Ikone. Marlene Dietrich kreiert mit ihren maskulinen Outfits ein neues weibliches Sexsymbol, das weit über Berlin hinausgeht. Mit Hosenanzug und Zylinder rekelt sie sich auf der Bühne, erobert die Menschen selbst in Hollywood und wird so zum Star des Tonfilms.

 

Weitere Superstars der Weimarer Republik: die Comedian Harmonists. Sie nehmen eine Platte nach der anderen auf, singen und spielen in Kinofilmen mit und touren durch viele Länder der Welt. Der Erfolg der sechs Sänger beginnt, wie soll es auch anders sein, in Berlin. Doch aller Anfang ist schwer und so brauchte das Sextett einige Anläufe bis ihr Vorsingen von Erfolg gekrönt war. Lieder wie „Schöne Isabella von Kastilien“, „Veronika, der Lenz ist da“ oder „Mein kleiner grüner Kaktus“ begeistern (nicht mehr nur) die Damenwelt noch immer.

 

Aus den USA kommend, doch erst in Europa zum Star geworden: Josephine Baker. Als sie 1926 erstmalig in Berlin auf einer Bühne steht, entsteht ein ganz neuer Skandal. Mit nur einem Hauch von Federn um die Hüften, einigen glitzernden Perlenschnüre um Hals und Oberkörper und ihre kurzen Haare elegant zurückgegelt wirbelt Josephine Baker über die Bühne. In keiner anderen Stadt als Berlin war sie je so beliebt. Anderenorts rufen ihre freizügigen Auftritte die Sittenwächter auf den Plan: Im München erhält sie ein polizeiliches Auftrittsverbot und in Wien begleiten Bußgottesdienste ihren Auftritt.

Doch hier bei „BERLIN BERLIN“ endet nicht nur ihr Aufritt mit einem Nationalsozialisten, der Josephine Baker vom Bühnenrand aus anpöbelt. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten sorgt für ein abruptes Ende des gesamten Tanzes auf dem Vulkan. Der Mythos lebt aber weiter!

 

Ich durfte mir dank BB Promotion und „That is Musical“ die fantastische Revue „BERLIN BERLIN“ im Admiralspalast in Berlin am 21.12.2023 anschauen, um für Euch zu berichten.

 

 

Das Musical

Die Revue „BERLIN BERLIN“ von Christoph Biermeier ist in der Zeit vom 21.12.2023 bis zum 21.01.2024 im Berliner Admiralspalast zu sehen.

 

Passender als Berlin und der Admiralspalast kann keine Stadt und kein Theater für diese große Show der Goldenen Zwanziger sein: Berlin - die Hauptstadt des Lasters - lockt die Menschen Nacht für Nacht in über 40 Theater und 170 Varietés. Der Admiralspalast ist in den Zwanziger Jahren einer der Hotspots des Unterhaltungslebens. Am 8. September 1923 feierte Berlin die Uraufführung der Revue „Drunter und Drüber“. Ein Jahrhundert später werden die Zuschauer im Admiralspalast wieder bestens unterhalten und mitten hinein in einen Club der Zwanziger Jahre geführt.

 

Im hinteren Teil des „Clubs“ gibt es einen höher gelegten Laufsteg, der über zwei bewegliche Treppen erreicht werden kann. Unter dieser zweiten Etage hat das BERLIN BERLIN-Orchestra genügend Platz, um eine zeitgemäß arrangierte Nummer nach der nächsten zu spielen. Durch das eher schlichte Bühnenbild liegt die Aufmerksamkeit auf den Revuegirls, die ihre Beine zu den vom 8-Mann-Orchestra gespielten Glanznummern schwingen. Durch die flexiblen Treppen kann sich das Ensemble auch höhentechnisch verteilen und bietet so auf allen Ebenen beste Unterhaltung. Marlene Dietrich wird zu ihrem ersten Auftritt auf einer Schaukel von oben heruntergelassen - einfach grandios.

Fantastisch in das Stück eingebaut sind auch die kleineren Umbauten, die auf der Bühne erfolgen. Einige bekommt der Zuschauer gar nicht mit - dann wird der Vorhang geschlossen und es erfolgt ein grandioses Amüsement vor diesem.

 

Das bereits angesprochene Orchestra legt die verschiedensten Lieder der Zwanziger auf. Eine perfekte Mischung aus englischen und deutschen Songs, teilweise von kurzen Dialogen unterbrochen. Auch ansonsten ist die Liederwahl von Richard Morris perfekt getroffen. Vertreter jeder Generation werden vertraute Melodien und Texte erkennen. Zudem sind es sowohl ernstere als auch - und vor allem diese Szenen bleiben im Kopf - unterhaltsame Lieder. Da gibt es zum einen „Ich wollt´ ich wär ein Huhn“ von den Comedian Harmonists, zum anderen den „Lachfoxtrott“ bei dem das gesamte Publikum herzlich zum rhythmischen Mitlachen eingeladen ist.

 

Sowohl die Kostüme von Katia Convents und Mine Vergès als auch die Choreografien von Matt Cole ziehen das Publikum in die Zwanziger Jahre. Die Revuegirls schwingen ihre Beine zu Charleston, Lindy Hop, Tango, Foxtrott und Swing - und das in kurzen Röcken und mit Oberteilen, die provokante Ausschnitte präsentieren.

 

„BERLIN BERLIN“ führt in eine vergangene Zeit, die voller Sehnsüchte nach Lebenslust und Freiheit ist. Die Musik, Tänze und Kostüme machen es leicht, den heutigen Alltag hinter sich zu lassen und sich als Besucher in einem von Skandalen geprägten Berliner Nachtclub wiederzufinden. Die Revue erlaubt sich, auf das Publikum einzugehen und sorgt damit für noch mehr humorvolle Szenen. Beim „Lachfoxtrott“ heißt es: Luft anhalten und rhythmisch ausstoßen - aber mit dem Zwerchfell, nicht mit dem Darm!

Und doch werden auch die finsteren Momente dieser Zeit nicht vernachlässigt: Das schillernde Nachtleben wird durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendet. Von den skandalgetriebenen Handlungen in der Nacht bleibt nichts zurück. Ein ziemlich abruptes Ende der Goldenen Jahre - sowohl im Jahr 1933 als auch heute hier im Admiralspalast.

Eine grandios unterhaltsame Revue!

 

 

Die Cast

Tobias Licht übernimmt als Admiral die Führung durch „seinen“ Club am heutigen Abend. Er begeistert das Publikum mit seiner Stimme und seinem Schauspiel. Vor allem seine emotionale Realisierung, dass mit dem Ende der Goldenen Zwanzigern auch sein Nachtclub der Vergangenheit angehört, lässt das Publikum das in diesen Tagen unvorhersehbare Ende der glorreichen, schillernden Zeit deutlich spüren.

 

Lena Müller tritt als Marlene Dietrich in Hosenanzug und mit Zylinder auf. Überzeugend spielt sie den skandalliebenden Hollywoodstar.

 

Jil Clesse schlüpft in die Rolle der Anita Berber und ist auf der Bühne daher vor allem beim Alkohol und den Drogen zu finden. Berbers Lebenshunger und all ihre extremen Aktivitäten werden von Clesse eindrucksvoll gespielt.

 

Dominique Jackson steht wohl mit am wenigsten Stoff bekleidet auf der Bühne und bezaubert als Josephine Baker. Ihre Tanzdarbietungen lassen einen verstehen, warum die Menschen in Wien nach einem Tanz von Baker beten mussten.

 

Das Comedian Harmonist-Sextett besteht aus Kevin Dickmann, Jendrik Sigwart, Bagdasar Khachikyan, Lucca Kleimann, Alexandre Pierre und Jeff Frohner am Piano. Zusammen erzählen sie mit viel Charme und Humor von den Anfängen der Gruppe. Unvergessliche Titel wie „Veronika, der Lenz ist da“ und „Mein kleiner grüner Kaktus“ dürfen nicht fehlen. Hierbei besticht die Gruppe nicht nur durch ihre harmonischen Stimmen, sondern auch durch ihr witziges, die Liedtexte unterstreichendes Schauspiel.

 

Zum angesprochenen gemeinsamen „Lachfoxtrott“ lädt nicht nur einmal Sebastian Prange ein, der als Kutte beim Admiral zu arbeiten anfängt. Aber nicht nur bei dieser Gesangseinlage bringt er das Publikum zum Lachen, auch so verkörpert Prange einen unerfahrenen Jungen, der in den Geschmack der spektakulären Zwanziger Jahre - insbesondere ihrer Frauen - kommt. 

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