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Kritik - Jesus Christ Superstar / Autorin: Astrid Wey

Jesus Christ Superstar

 

Nürnberg

3.03.2023
Oper Nürnberg

 

Autorin: Astrid Wey

 

Ein Jesus des 21. Jahrhunderts

Nicht nur in der Zeit vor Ostern ist das Thema Jesus und Kirche auch heute stets aktuell. Das Staatstheater Nürnberg hat unter der Regie von Andreas Gergen eine sehr moderne Fassung der Rock-Oper „Jesus Christ Superstar" von Andrew Lloyd Webber auf die Beine gestellt, die sich sehr kritisch mit der Institution Kirche auseinandersetzt und die letzten Tage aus dem Leben Jesu ins 21. Jahrhundert erzählt. Die Inszenierung steht unter dem Motto „Was wäre, wenn ... Jesus heute auf die Erde zurückkehren würde,“ um bei seinem Bodenpersonal nach dem Rechten zu schauen. „Zusammen mit den „Jesus Peoplen" geht Jesus auf die Strasse und demonstriert u.a. gegen Missbrauch, Zölibat, Diskriminierung und Homophobie in der Kirche. Unter seinen Gefolgsleuten sind auch Jüngerinnen. Der Schauplatz ist nicht Jerusalem, sondern der Vatikan, die 'Bösen' sind alle Würdenträger der Kirche: Kaiphas und Annas sind Kardinäle, Pontius Pilatus ein Sekretär und Herodes wird zum Pabst gemacht. Jesus und Maria Magdalena leben als Kleinfamilie mit Marias Kind zusammen. Es ist eine Geschichte über die Liebe, die die Botschaft vermittelt, die Welt möge offener, friedlicher, liebevoller und toleranter werden. Alle Songs werden in englischer Originalfassung präsentiert. Links und rechts oberhalb der Bühne werden die deutschen Übersetzungen angezeigt. 

Bis Mitte Juli wird Jesus in der Oper Nürnberg noch  diverse Male gekreuzigt werden.

 

Ich durfte mir dank des Staatstheaters Nürnberg am 3.03.23 die Premiere von Jesus Christ Superstar in der Oper anschauen.

 

Die Rockoper von Andrew Lloyd Webber begeistert mit ihrer mitreißenden Musik auch nach 50 Jahren noch immer das Publikum mit einem Mix aus Rockhymnen und Balladen, Ohrwürmer sind garantiert.

Momme Hinrichs hat ein ansprechendes und gelungenes Bühnenbild gestaltet. Hauptschauplätze sind die Wohnung von Jesus und Maria sowie der Petersplatz. Letzterer wird im Bühnenbild dargestellt mithilfe von hohen Säulen und Projektionen des Petersdoms von außen und von Innenaufnahmen der Leinwand im Hintergrund der Bühne. Insgesamt werden Projektionen vielfältig eingesetzt, angefangen von Schlagzeilen zu den Skandalen der Kirchen über Luftaufnahmen aus Rom, um den Zuschauer an den Schauplatz zu führen, bis hin zu Nahaufnahmen während der Sterbeszene, die das Ende noch dramatischer gestalten. Auch hier ist der Bezug zur aktuellen Zeit klar zu erkennen, indem Schaulustige sensationshungrig alles im Video festhalten müssen.

Die Choreografien von Francesc Abós sind abwechslungsreich. Besonders eindrucksvoll ist das Tanzen mit Regenbogenfahnen und die Herodesszene, in der das Ensemble glitzernde sexy Ministrantengewänder trägt und der Pabst unter seinem Gewand sogar Strapse hervorblicken lässt, wodurch auch der Humor nicht zu kurz kommt..

Aleksandra Kica ist verantwortlich für die Kostüme. Da der Schauplatz in den Vatikan verlegt wurde, tragen die Wachen die Uniformen der Schweizer Garden und alle „Offiziellen" tragen Kardinal- und Priesterkleidung. Jesus und seine „People" tragen sehr ausgefallene Kleidung von Hippie bis Jeans und Pullover ein bunt gemischter Haufen, einen Jesus im Kettenhemd und einen Judas im Faltenrock hat es wahrscheinlich so noch nicht gegeben.

 

Das Staatstheater Nürnberg hat mit dieser Produktion eine tolle Show auf die Beine gestellt, die durch die Aktualität das Publikum direkt anspricht. Moderne Technik wird gelungen eingesetzt. Eine hervorragend zusammengestellte Cast unterstützt von der Jesus- Band und dem Opernchor der Oper Nürnberg sorgen für musikalischen Hochgenuss. Die Premierengäste waren begeistert und es gab zu Recht minutenlange Standing Ovations. Wer die Möglichkeit hat, nach Nürnberg zu kommen, sollte sich dieses 'Schmankerl' nicht entgehen lassen. Grundkenntnisse der englischen Sprache sind allerdings von Vorteil, da man doch sehr vom Bühnengeschehen abgelenkt wird, wenn man permanent die Übersetzungen liest.

 

Die Cast 

Lukas Mayer als Jesus überzeugt auf ganzer Linie. Er spielt einen sanften und sensiblen Jesus. Nicht nur durch seine Größe sondern vor allem durch sein emotionales Spiel und seinen kraftvollen Gesang begeistert er mit einer ungeheuren Bühnenpräsenz. Insbesondere die Sterbeszene trifft mitten ins Herz.

 

Til Ormeloh spielt einen Judas, der immer weniger Verständnis für seinen Freund Jesus hat und auch dessen Beziehung zu Maria Magdalena nicht gutheißt. Schließlich verrät er seinen Weggefährten, erhängt sich dann aus Scham für seine Tat, bevor er am Schluss vom Himmel herabschwebend Jesus zum Superstar deklariert. Auch er ist gesanglich sehr stark und sein Spiel authentisch.

 

Für mich persönlich eine Neuentdeckung ist Dorina Garucci als Maria Magdalena. Maria Magdalena hat eine Vergangenheit als Prostituierte, jetzt sie ist eine starke Frau, die sich um ihr Kind und um Jesus sorgt.  Dorina Garucci  hat mich absolut überzeugt durch ihr fantastisches Spiel und ihre wundervolle, kraftvolle Stimme. Ihr „I don't know how to love him“ ist ein absoluter Höhepunkt des Abends.

 

Marc Clear gibt einen ruhigen, gottesfürchtigen Pontius Pilatus, der das Zwiegespräch mit Gott sucht und eine gewisse Distanz zu den anderen Priestern hat. Gegen seine eigene Überzeugung beugt er sich dem Druck des Volkes und der Priester und verurteilt Jesus zum Tod. Auch er begeistert mit seiner tollen Stimme und seinem emotionalem Spiel.

Der Herrscher Herodes wird in dieser Inszenierung als Pabst dargestellt, der bekanntlich das Oberhaupt über alle Christen ist. Hans Knittelmann spielt einen realitätsfernen, etwas überdrehten Regenten, der sich von Jesus bedroht fühlt. Insbesondere in der Tanzszene mit den Ministranten sorgt er dafür, dass der Humor nicht zu kurz kommt. Auch für dies Rolle eine tolle Besetzung.

Alexander Alves de Paula als Kaiphas und Mark Weigel als Annas sind zwei Hohepriester, die alles daran setzen, Jesus zu vernichten. Sie sind die treibenden Kräfte, die das Volk aufhetzen und sie bedrängen Judas, Jesus zu verraten. Beide sind gesanglich sehr stark.  

Die 'Jesus People' sind ein bunt gemischter Haufen von Anhängern Jesu, teils sehr flippig, teils eher langweilig. Hier wird klar, dass Jesus keine Vorurteile hegt, sondern jeder bei ihm willkommen ist. Dennis Riffel als Simon Zelotes und Samuel Türksoy in der Rolle des Petrus überzeugen stimmlich und spielerisch.

Vervollständigt werden die 'Jesus People' durch Raphael Binde, Madleen Dedering, Enny de Alba, Ehab Eissa, Yoko El Edrisi, Jens Emmert, Kabelo Lebyana, Laura Oswald, Alida Will und Teodor Popp.

Als Priester sind  Gor Harutyunyan, Yevhen Petronelli, Han-Bo Jeon, Taseok Oh, Julian Acht und Rüdiger Kehlbiel auf der Bühne zu sehen.

 

Unterstützt wurden die Solisten vom Chor des Staatstheaters Nürnberg unter der Leitung von Tram Vaask und der Jesus Band unter der Leitung von Jürgen Grimm.

 

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