Wir haben Silvio Römer in Duisburg vor der Show von "Fack ju Göthe"
getroffen und mit ihm über die Zeit nach seiner Ausbildung, seine aktuelle Rolle als "Zeki Müller" und
die Message hinter diesem Stück gesprochen.
Quelle: eigene Aufnahme
Hier könnt ihr euch das passende Video zum Interview anschauen:
Hallo Silvio. Kannst du dich und deinen Beruf bitte einmal den Lesern und Leserinnen vorstellen?
Hallöchen, ich bin Silvio Römer. Ich bin Musicaldarsteller aus Berlin und mache das jetzt fast 10 Jahre. Das heißt ich bin ausgebildet in Gesang, Tanz und Schauspiel und diese Ausbildung habe ich vor 9 Jahren abgeschlossen.
2015 hast du an der Stage School deine Bühnenfachreife als Musical Darsteller bekommen. Was war deine erste Produktion danach und was hast du für dich aus dieser mitgenommen?
Ich habe direkt nach der Ausbildung „Rocky“ einem wundervollen Stück, in Stuttgart bekommen. Zu meinem großen Glück habe ich dann auch direkt eine Position als Swing bekommen, hatte zwölf Positionen und ein Cover. Das war eine sehr sehr schöne und große Produktion. Nach der Schule direkt für eine Produktion von Stage Entertainment arbeiten zu können, ist natürlich auch ein Privileg, wie ich es sehe. In Kombination mit dieser Swing-Position, wo du ganz viele verschiedene Positionen in einer Show abdecken musst, hat das einfach meinen künstlerischen Horizont und meine Professionalität so sehr gesteigert, dass ich bis heute die Art und Weise wie ich Sachen, Emotionen oder Texte lerne, in den Alltag als Musicaldarsteller mitnehmen kann.
Dieses Jahr hast du bei dem Stück “Frankenstein” als Assistenz der Regie mitgewirkt. Wie war es für dich mal auf der anderen Seite zu stehen und haben dir deine Erfahrungen aus dem Musical “Bibi und Tina” weitergeholfen?
Mittlerweile ist es so, dass die Regieassistenten in Kombination mit dem Darsteller selber auf der Bühne Verträge angeboten bekommen. Die sind dann quasi während den Proben dafür da den Regisseur etwas zu unterstützen aber trotzdem haben sie noch einen wesentlichen Bestandteil in dem Stück selbst. Bei Frankenstein war es auch eine sehr besondere Atmosphäre und ein sehr besonderes Stück. Einmal weil es eine Welturaufführung von einem ganz neuem Stück war. Kevin Schröder, der unter anderem auch für "Fack ju Göthe" das Buch geschrieben hat, hat auch dort das Buch geschrieben. Wunsiedel ist natürlich auch eine wundervolle Location um Kunst, Schauspiel und Musical auf die Bühne zu bringen. Die Aspekte, die ich dieses Jahr hatte waren wundervoll. Frankenstein ist ein großer Name, bei dem die Messlatte schon von Vorhinein hoch lag. Wir haben eine sehr künstlerische Version gefunden, die mit toller Musik und einem sehr emotionalem Inhalt begeistert hat und ich finde das Arbeiten mit dem Regisseur mit dem ich schon seit einigen Jahren zusammen arbeite immer wieder toll und sind dort ein gutes Team. Es ist auch immer wieder toll in neuen Produktionen die Denkweisen und die Übergänge, die der Regisseur oder auch der Autor hat, zum leben zu erwecken. Es ist einfach wirklich toll und gibt einem als Darsteller auch viel mehr Fundament für die Arbeit auf der Bühne. Und das ist es, was die Kombination aus Darsteller und Regisseur besonders macht.
2018 hast du bereits die Rolle des “Zeki Müller” alternierend und das Cover für Burak gespielt. Wie war es denn für dich als du letztes Jahr die Zusage für die Erstbesetzung dieser Rolle bekommen hast?
Natürlich habe ich mich unfassbar gefreut. Natürlich auch weil es meine erste Hauptrollenbesetzung war, was natürlich für jeden Musicaldarsteller oder angehende Künstler ein Meilenstein ist. Jeder der von uns auf der Bühne tätig sein möchte, der träumt davon irgendwann die Erstbesetzung machen zu können. Ich war auch ein wenig zweigeteilter Meinung, was jetzt die emotionale Bindung zu dem Stück angeht. Einfach weil ich 2018 mit der Uraufführung eine große Emotionale Komponente mit dem Stück hab, ich mich in das Stück verliebt habe und es etwas ganz besonderes war. Auch an einem festen Haus zu sein mit dem Stück. Dann mit der neuen Produktionsfirma ShowSlot mit dem Stück auf Tour zu gehen, war ich mir nicht ganz sicher, ob es nicht ein wenig den Wert von meinem geliebten "Fack ju Göthe-Stück" schmälert. Aber so war es überhaupt nicht! Ich habe es dann angenommen, mich gefreut und die Proben waren wundervoll. Das Stück auch in anderen Städten präsentieren zu können, wo viele damals einfach nicht die Möglichkeit hatten nach München zu kommen und sich das Stück anzuschauen ist toll und deswegen sind wir gleich nochmal durch ganz Deutschland auf Tour unterwegs.
Kannst du Zeki Müller einmal beschreiben und gerne einmal erzählen, was er für dich als Charakter besonders macht?
Das tolle an Zeki Müller ist, dass er einfach so natürlich ist. Dadurch dass er auf der Straße aufgewachsen ist und aus einem nicht so einfachem Umfeld kommt und immer wieder auf Umstände gestoßen ist, "scheißt er sich nichts" (um es mal in seinem Jargon auszudrücken), was jetzt die anderen von ihm denken oder was seine Methoden sind. Damit ist er immer durchgekommen. Ob das jetzt so richtig ist, ist ein ganz anderes Thema. Auch seine Sprache, seine Witze, sein manchmal mangelnder Respekt. Ob das vor allem in 2023 immer noch so in Ordnung ist, kann man drüber streiten. Aber die Art und Weise, wie er sich der Welt präsentiert ist wundervoll, ehrlich und direkt. Ich finde das ist heute in der Welt von Instagram und den damit falschen Informationen über das Internet, sehr entscheiden, dass Menschen sich so präsentieren wie sie sind.
Hast du bei so einer Produktion auch die Möglichkeit deine Rolle ein Stück weit mit zu gestalten oder ist diese komplett festgelegt, da es “Fack ju Göthe” ja auch schon als Filmreihe gibt und deshalb Zeki Müller ja kein ungeschriebenes Blatt ist.
Ich meine die Leute die die Rolle in dem Film und dem Stück gesehen haben, haben auch gesehen, dass mein Zeki Müller nicht der Zeki Müller ,von meinem Schauspielkollegen ,aus dem Film ist. Das wäre Utopisch zu denken und dafür spielen wir auch ein anderes Genre und System auf der Bühne. Wir haben natürlich im Musical ein etwas größeres Schauspiel, weil wir das in den Zuschauerraum transportieren müssen, was du in einem Film mit Close-Ups wirklich schön klein emotional und ehrlich spielen kannst. Also viele Sachen, die dann etwas herausgestochen sind, würde ich persönlich vielleicht nicht so machen. Und dennoch habe ich meinen eigenen Zeki Müller bekommen. Auch damals schon in München war mein Zeki Müller ein andere als der von Max Hemmersdorfer, gerade weil Zeki so eine ehrliche Haut ist muss man dafür sagen, dass das was und vor allem wie es gesagt wird glaubwürdig ist und nicht zum Beispiel herausgestellt und zu sehr gespielt ist. Einfach um das ganze so witzig, temporeich und glaubwürdig wie möglich zu machen. Also mein Zeki ist ein eigener Zeki, von Malcom (meinem Cover) und von Fabian ist ein anderer. Jeder Zeki Müller, de jemals in einem Musical gespielt hat, war immer seine eigene Version.
Wie schaffst du es bei einer Tourproduktion, die durch aus sehr anstrengend sein kann, immer Vollgas auf der Bühne zu geben und das Publikum jeden Abend abzuholen?
Ich habe ein sehr hohes berufliches und professionelles Denken, würde ich jetzt einfach mal behaupten. Ich möchte für mich und für die Zuschauer die im Theatersaal sind, eine gute Show abliefern. Man muss dann natürlich dafür sorgen, dass man nicht zu exzessiv feiern geht oder mit den Kollegen zu sehr in der Hotellobby versackt und einfach etwas auf sich aufpasst. Das ist natürlich auf Tour nochmal extra hart, weil man im Tourbus ist und nicht immer einfach zum Beispiel in der Badewanne ausruhen oder lange schlafen, weil wir eben lange reisen müssen, im Hotel ein- und auschecken müssen etc. Nichts desto trotz ist es für mich ein ganz normaler Job, wo wir lediglich die Theater und die Häuser alle paar Tage wechseln. Den professionellen Anspruch habe ich immer, egal ob ich eine Longrun-Produktion oder auf Tour spiele. Man muss einfach etwas mehr auf sich achten und vor allem sollte man auf Mental Health mehr achten. Auch weil wir gerade den Mental Health Monat für Männer haben, kann man nochmal sagen dass nicht nur in unserem Bereich sondern auch in den anderen mehr darauf geachtet werden sollte, dass es allen gut geht und man auch mal über seine Probleme oder seine Schwächen vor allem mit den Kollegen spricht. Es sollte einfach im Team ein respektvoller und gepflegter Umgang sein, dass man auch als Team so eine Tour und solche Shows die Monate übersteht.
“Fack ju Göthe” ist ein Musical mit viel Jugendsprache bzw. nicht so korrekter Sprache. Könnt ihr dies außerhalb der Bühne abstellen oder verfallt ihr teilweise zum Beispiel im Tourbus in diesen Slang?
Man muss ja dazu sagen, dass wir viele jüngere Kollegen haben, bei denen die Sprache noch vor kurzem sehr gefestigt in diese Richtung ging und auch ich selber rede teilweise noch so mit meinen engsten Freunden. Also ich achte in einem Geschützen Raum nicht darauf was ich sage, wenn es eben meine Freunde und Familie sind. Es gibt natürlich ein paar sehr harte Jokes in unserer Show. Ablegen kann man es schon auf professioneller Ebene aber es ist auch mittlerweile einfach lustig viele Sachen aus der Show zu zitieren. Wir verfallen dann teilweise auch einfach kurz in unsere Rolle und haben dann zum Beispiel eben Danger in unserem Tourbus und dann kommt Herr Müller oder Chantal mal eben vorbei. Es ist ein gleiches Spiel. Wir akzeptieren die Sachen, die wir sagen und tolerieren vor allem auch die Meinungen von Leuten, die dagegen sind, lieben es aber natürlich auch die Rollen zu verkörpern, Das sieht man jeden Abend auf der Bühne. Dann ist es auch in der privaten Atmosphäre so, dass wir teilweise diese Sprache eben benutzen.
Steckst hinter dem Musical, außer einem Abend voller Humor, eine wichtige Message, die ihr rüberbringen möchtet?
"Fack ju Göthe" ist für mich ein Sinnbild davon, wo unsere Jugend sich befindet und ich finde, dass gerade die Geschichten von Chantal und Zeki, die ja quasi mit ihrem Umfeld in eine negative Energie gerutscht sind, wird ganz stark in unserer Show erzählt. Chantal berichtet beispielsweise in der Zeitkapsel davon, dass ihre Mutter trinkt und dass natürlich dadurch ihre Kindheit leidet. Und auch Zeki, der ja nie Freunde hatte und auf die schiefe Bahn geraten ist aus Umständen, die jetzt im Stück nicht zu explizit dargestellt werden und dennoch präsent sind, ist es wichtig, dass wir darauf aufmerksam machen. Vor allem in den frühen Jahren oder auch als Pädagoge in den Schulen dafür sorgt, dass die Bildung und der Umgang mit den Kindern so essenziell ist, dass sie für die Zukunft und das harte Leben im Alltag gewappnet sind. Es geht nicht darum die Schüler zu manipulieren. Sie sollen schon jeder selbstständig ihre eigene Meinung bilden dürfen ohne anderen zu nahe zu treten und ohne den Respekt vor der Gesellschaft zu verlieren. Aber dennoch ist gerade in den jungen Jahren ganz wichtig, dass diese Schüler und Jugendliche informiert werden, was da draußen abgeht. In diesem Rahmen haben wir tatsächlich auch für die Child Hood Fondation Geld gesammelt um genau solchen Kindern eine Zukunft sichern zu können und denen werden wir dann am Ende der Tour auch einen Check mit den Spenden vom Publikum überreichen.
Was wäre denn mal eine Rolle, die du gerne spielen würdest und für die du deine Komfortzone verlassen müsstest?
Ich muss sagen, dass mein Rollenprofil ja sehr speziell ist und ich mich gerne in diesem aufhalte. Da zähle ich Freddy aus Ku'damm mit, da zähle ich Zeki Müller rein, da hätte ich auch Aladin der Hamilton mit reingesetzt. Die sind schon alle sehr ähnlich, was so die Maskulinität , die Tempoweise und das extrovertierte Auftreten angeht und einfach die hohe Energie mit sich bringen. Wenn du jetzt sagst eine Rolle, wo ich aus der Komfortzone rausgehen müsste, dann würde mir ganz spontan Frankenstein einfallen. Einfach weil ich es diesen Sommer besonders exenssiv diese Rolle beobachten konnte wie diese Rolle angelegt wird. Sie ist natürlich ganz weit weg von mir selbst und eher introvertiert, wenn sie draußen in der Welt ist und sehr in sich gekehrt. Sie ist natürlich vom Wissenstand was ganz anderes und sieht sich als sehr besonders und ist natürlich gesanglich auch eine sehr herausfordernde Rolle, die im Sommer von Jonas Hein gespielt wurde, der ein unfassbar großer Sänger ist. Ich bin der Meinung, dass ich solche Rollen dennoch verkörpern kann, weil ich am Ende des Tages einfach immer noch ein Schauspieler bin und man nicht immer als Künstler den einfachen Weg gehen muss, also nur die Rollen spielen, die einem direkt wie auf den Leib geschrieben sind. Ich würde sehr sehr gerne meinen Horizont erweitern und Viktor Frankenstein wäre ein Beispiel.
Danke dir für das schöne Interview und deine Zeit!